Urnenhain Tolkewitz

Krieg und Trauma

Seit Beginn historischer Aufzeichnungen wurden bereits unzählige Kriege registriert. Derzeit gibt es auf 5 von 7 Kontinenten bewaffnete Auseinandersetzungen. Seit 2005 sind die weltweiten Militärausgaben noch einmal um ein Drittel gestiegen und betrugen im Jahr 2021 2.113 Milliarden US Dollar. Im Jahr 2021 lagen die Ausgaben für die US-Armee bei rund 801 Milliarden US-Dollar und damit mit Abstand am höchsten.

Jeder Krieg hinterlässt neben Kriegstoten und zerstörter Städten und Infrastruktur auch traumatisierte Menschen. Nach dem zweiten Weltkrieg herrschte unter den Kriegsrückkehrern und Kriegskindern dröhnendes Schweigen. Die Kriegserlebnisse waren so unfassbar schlimm und schambesetzt, dass man dafür keine Worte fand. Um jegliche Re-Traumatisierung zu vermeiden, wurde geschwiegen und verdrängt.

Viele Kriegsbetroffene leiden an einer posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Symptome sind u. a. Angst, Vermeidungsverhalten, Grübelzwang, depressive Stimmungen, Übererregbarkeit, Schlafstörungen, Herzrasen, Pantikattacken und andere psychosomatische Symptome. Traumatische Erlebnisse verursachen auch Schäden an Körperzellen, der Stress wirkt bis in den Zellkern hinein. Betroffene können oft die Anforderungen des Alltag nicht mehr bewältigen, sind über lange Zeit arbeitsunfähig, haben Probleme mit Beziehungen und benötigen psychiatrische Medikamente.

Traumatisierte Menschen können ihre Probleme auch an Nachkommen weitergeben, vor allem, wenn über das Erlebte geschwiegen wird. Drei Generationen, so lange dauert die Schuld, die sich von einem Sünder vererbt, so sagt das Alte Testament. Drei Generationen, so haben Psychologen herausgefunden, dauert ein Transgenerationstrauma. In ihrem Buch: „Die vergessene Generation“ thematisiert die Autorin Sabine Bode diese Problematik.

Kriegsbedingte Traumata erlebten auch Soldaten der Bundeswehr in ihren Auslandseinsätzen. In den letzten Jahrzehnten waren deutsche Soldaten vor allem im Sudan und Kosovo, in Afghanistan, Libyen, Jordanien, Irak, Mali, Nigeria und Libanon im Einsatz. Über ihre psychischen Probleme nach Einsätzen wird allerdings nur selten berichtet.

Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 drangen US-militärische Truppen unter Beteiligung der NATO im Oktober 2001 in Afghanistan ein. Die Bilanz des Afghanistankrieges betrug über 240.000 Tote, darunter auch viele Zivilisten, und 5,5 Millionen Kriegsflüchtlinge. Doch nicht nur Kriegserlebnisse, sondern auch die Zerstörung der Heimat und Flucht in ein fremdes Land lösen eine Traumatisierung aus. Flucht und Vertreibung kennen die Deutschen auch aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Bis heute wirkt der Verlust der Heimat auch in den nachfolgenden Generationen nach.

Der Ukraine-Krieg hat schätzungsweise bereits 200.000 Opfer gekostet, genaue Zahlen werden aus taktischen Gründen von beiden Seiten nicht benannt. Fest steht, dass auch dieser Krieg wieder eine Unzahl an traumatisierten Menschen erzeugen wird. Dabei wird gern vergessen, dass diese Menschen gar nicht unmittelbar an der Kriegsfront beteiligt sein müssen. Kaum jemand thematisiert, wie viele Kinder nun ohne Väter aufwachsen werden, wie viele Frauen, Mütter und Väter ihre Männer bzw. Söhne beweinen.

Betrachtet man den Krieg in der Ukraine chronologisch, dann dauert er nicht erst seit einem Jahr, sondern seit 2014 an. Seinen Anfang nahm er auf dem Maidan-Platz. Bis zum Einmarsch russischer Truppen sind bereits um die 14.000 Menschen in diesem Krieg gestorben. Die Traumatisierung der Menschen in der Ukraine umfasst also bereits einen Zeitraum von 9 Jahren, lange wurde über diesen Konflikt geschwiegen oder zumindest nur sporadisch berichtet.

Wer in seinem Leben eine Traumatisierung erfahren hat, weiß, wie schwer es ist, diese zu verarbeiten. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) lässt sich nicht heilen, traumatische Erlebnisse kann man nicht ungeschehen machen. Durch psychotherapeutische Verfahren wie z. B. EMDR oder katathymes Bildererleben kann man traumatische Erfahrungen so bearbeite, dass sie als weniger belastend erlebt werden. Die Betroffenen benötigen dafür eine intensive und langandauernde Behandlung.

Am 25.02.2023 fand in Berlin eine Demonstration für den Frieden statt. Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht riefen zum breiten Bündnis für die Beendigung des Ukraine-Krieges auf. Bis zu 50.000 Teilnehmer waren gekommen, um sich dem Bündnis anzuschließen. Doch anstatt in den Medien eine breite Zustimmung zu erfahren, wird diese Friedensbewegung diffamiert und diskreditiert. Florian Schroeder bezeichnet die Teilnehmer als „Friedensschwurbler“, Marcus Mittermeier auf Twitter als „Pack“. Aufgerufen wird dagegen zu noch mehr Waffenlieferungen und Kriegsbeteiligung. Soziologin Eva Illouz wünscht sich gar den „totalen Sieg“ der Ukraine über Russland.

Wer sich mit Trauma und PTBS beschäftigt, kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass jegliche Kriegshandlungen schwerwiegende Folgen für die Beteiligten haben können. Wer sich eingehend mit Trauma und PTBS auseinandersetzt, kann am Ende nur zu der Erkenntnis gelangen, dass es nichts Wichtigeres auf der Welt als FRIEDEN gibt.

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KOMMENTARE:

Schafe

6 Antworten zu „Krieg und Trauma“

  1. Wahre Worte. Leider. Ich weiß es aus eigenem Erleben. Mein Opa – wurde mir erzählt – kehrte aus dem Krieg äußerlich unversehrt zurück. Aber er war psychisch zerstört. Meinen Vater und meinen Onkel verprügelte er mehrmals die Woche so exzessiv, dass sie anschließend verbunden werden mussten. Was das aus den beiden gemacht hat, kann sich jeder vorstellen. Ich brauchte mir nichts vorstellen. Weil ich es sah.

    Die Leute, die heute nach Krieg schreien, sind krank. Das meine ich so, wie ich es sage. Die lautesten Befürworter müsste man direkt an die Front verfrachten. Dann wäre ganz schnell Ruhe.

    Öffentliche Medien (Presse und TV) lese / sehe ich seit über 20 Jahren nicht mehr. Ich lese nur noch über die. Wie wir denken und fühlen sollen. Welche Haltung man haben soll. Wer gut und wer böse ist. Und wer angeblich und in Wirklichkeit isoliert ist. Das ist alles schauerlich. Schlimmer noch, als in der schon damals verdrehten „Wirklichkeit“ der längst verblichenen DDR. Und das darf man durchaus als Leistung bezeichnen. Leider nicht im positiven Sinne. Unsere mediale „Elite“ hat sich komplett aus der Realität verabschiedet. Ich weiß nicht warum. Vielleicht weil sonst die Kündigung droht? Das Haus verkauft werden muss? Ja. Verstehe ich. Wäre auch für mich ein Problem. Es ist immer beschissen, wenn die eigene Existenz bedroht ist. Aber irgendwann – irgendwann muss doch mal der Bogen überspannt sein. Wie lange wollt ihr noch mitmachen? Bis die ersten Bomben auch hier einschlagen?

    Und unsere amerikanischen „Freunde“? Das schlimmste, was dieser Welt passieren konnte. Die von Milliardären regierten USA dürften die kriegerischste Nation dieses Planeten sein. Da passt der alte Spruch „wer die als Freunde hat, braucht keine Feinde mehr“.

    Meine Hoffnung? Keine Hoffnung. Es wird sich nichts ändern. Aber auch das ist nichts Neues. Es muss erst sehr viel schlimmer werden, bevor es wieder besser werden kann. Schade, dass nicht nur die Befürworter der aktuellen Politik darunter leiden müssen. Glück hat der, der in diesen Zeit schon ein fortgeschrittenes Alter erreicht hat. Könnte sein, dass da nicht mehr viel kommt …

  2. Ja, liebe Lottta,
    mein Vater hatte das sicherlich auch aber damals kannte man diese posttraumalische Belastungsstörung noch , wie viele andere Menschen es hatten, noch nicht. Die Soldaten kamen aus dem Krieg und keiner dachte dran, wie sie sich fühlten.
    Ich habe als Kind noch so viele Kriegsversehrte gesehen. Man sagte mir immer „des isch vom Krieg“. Ich konnte als Kind nichts damti anfangen.
    Onkel Erwin kam aus russischer Gefangenschaft zurück, er mußte mit 17 Jahren in den Krieg an die Ostfront ziehen.
    Dann kam er in russische Kriegsgefangenschaft und mußte dort in einem Erzbergwerk arbeiten.
    Er hatte keine Jugend, nichts.
    Er kam dann so 1953 wieder zurück und ich denke er hatte auch diese Belastungsstörung, er bekam solche Wutausbrüche, schlug seine Frau und seinen Sohn fast zum Krüppel. Damals hat man da auch weggesehen.
    Zur russischen Kriegsgefangenschaft, nun ja, die Russen zahlten halt zurück und da war mancher russische Soldat dabei, der hier schlechte Erfahrungen mit den Deutschen gemacht hat und seine Familie unter den Deutschen gelitten hat. Wen wunderts, das ist Krieg Frauen werden eben vergewaltigt, das ist wohl das Recht des Siegers und das haben die Amerikaner auch gemacht. Man muß nur ein Buch über Stuttgart lesen, als die Alliierten in Stuttgart einmarschiert sind. Die Franzosen mit ihren afrikanischen Truppen trieben es am schlimmsten.
    Ich will hier die russischen Soldaten, die viele Frauen mißhandelt haben, wirklich nicht in den Himmel loben, aber machen es andere anders.
    Churchill mit seinem Harris hat Städte insbesondere alte Städte bombadieren lassen. Das brennt besonders gut, weil man hier keine Abstände zum anderen Haus hat. Ja und Dresden war überhaupt nicht „kriegswichtig“ man hat gewußt, dass die Stadt voller Flüchtlinge war, nein, da wurde bombadiert und bombadiert.
    Gerhard Hauptmanns Satz ist mir heute noch im Gedächtnis.
    „Wer das Weinen verlernt hat, lernt es beim Untergang von Dresden“.
    Meiner Ansicht sind diese beiden auch Kriegsverbrecher und das sage nicht nur ich.
    Churchill und Harris.
    Ja, die Deutschen habe es ja auch gemacht. Das ist Krieg, Ich habe jetzt soviele Bücher über diese Zeit gelesen und werde demnächst noch eines vorstellen, ich glaube, dass das kaum ein Mensch in der heutigen Zeit kennt, wie es nach dem Kriegende manchen Kindern ging.
    Ach jaaa, und die Unterkünfte für die Flüchtlinge, auch hier habe ich ein Buch, das waren mehr Baracken und vor allem Bunker. Im Sickbunker in Stuttgart waren nach dem Krieg noch Flüchtlinge untergebracht, die lebten da drin und hatten weder Luft noch Licht.
    Das nur so!
    Ich sage immer, wo bleibt denn die Solidarität, wann nehmen denn Leute mit Häusern, in denen sie zu Zweit oder alleine leben, mal Flüchtlinge auf?
    Da hört es dann schon auf.
    Aber, wenn es so weitergeht, wird das wohl schon noch kommen.

    Mein Schwager flog im Vietnamkrieg (da haben die Amis eine Schlappe bekommen, allerdings hat auch das Volk hier sehr drunter gelitten, kennst du den Film „Kiling Fields“. Den Film habe ich schon ein paar mal gesehen und immer wieder kann ich nur sagen, wer will so einen Krieg?

    Vietnan und Napalm, wer kennt das. Napalm eine klebrige Masse, die am Ziel haftet und eine hochwirksame Brandentwicklung entfaltet.
    Da gibt es dieses Bild von dem Mädchen,
    https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/napalm-maedchen-fotografie-jahrestag-100.html
    Ich habe es schon oft geschrieben, mein Schwager, er war Offizier der amerikanischen Armee flog als Co-Pilot in Vietnam Bomeneinsatze mit Napalm in Vietnam. Er hat viele Menschen verbrennen sehen und ist nie darüber weggekommen, er wurde zum Alkoholiker, allerdings war er eher ruhig und in sich gekehrt.
    Aber der Alkohol hat ihn schließlich ins Grab gebracht, wie das Rauchen auch.

    Es ist Krieg und keiner geht hin, schön wäre es.
    Man redet immer Putin wäre krank oder würde umgebracht werden, ja, kann ja sein und nach Putin kommt ein anderer.
    Amerika und Russland, das wird nie Ruhe geben und es werden dann immer wieder andere Länder mit hineingezogen.
    Ach ja, in Stuitgart-Vaihingen ist ja EUCOM https://de.wikipedia.org/wiki/Patch_Barracks
    Wir fahren da oft vorbei an diesem Hauptquartier der Amerikaner, bewacht bis an die Zähne und wenn hier mal eine Bombe runterfällt, möchte ich nicht in der Nähe sein.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Patch_Barracks
    Überall haben die Amerikaner ihre Stützpunkte nur, wo hat der Russe sie???
    Also, wenn um mich herum so aufgerüstet würde, würde ich mir schon auch Gedanken machen, denn wer Jemand so in die Enge treibt, nun der drückt vielleicht doch auf den Knopf, irgendwann.
    Danke für deinen Post und bitte schreib doch wieder und vielleicht magst du auch mal wieder
    „Morgen macht der Himmel blau“ machen.
    Ich wünsche dir was, würde ich nur in Leipzig wohnen, dann hätte ich vielleicht einen guten Arzt.
    Bidden, wieder ein Präsident, der Blut an den Händen hat.
    Ich weiß, die ganze Situation ist nicht einfach und auch schwer das alles zu entscheiden, aber ob das so der richtige Weg ist, bezweifele ich.
    Kompromisse wird wahrscheinlich keiner eingehen, also tobt der Krieg weiter, bis alles kaputt ist.
    Übrigens, irgendwo habe ich gelesen, dass die Leute das alles nichjt wollen, weil alles teurer geworden ist und sie ihr bequemes Leben wieder haben wollen. Das sagt ausgerechte eine Frau, die einen gut verdienenden Mann hat.
    Es gibt aber arme Leute, die selbst nicht mehr zur Tafel dürfen, weil andere zuerst dran kommen.
    Ich schaue schon immer, wo ich sparen kann. Ich versuche auch Heizung zu sparen, habe dieses Jahr auch kaum geheizt, aber es gibt nun mal Menschen, die die Heizung eben brauchen.

    Liebe Grüße Eva, ist wieder lang geworden, zweimal durchgelesen und hoffentlich keine Fehler.

  3. Ähem, das habe ich jetzt vergessen.
    Sie wünscht sich
    „den totalen Krieg über Rußland“
    Ach herrjee, das ist doch interessant, von wegen Nazi usw.

    Übrigens habe ich mal eine Bloggerin gefragt, mit der ich einige Zeit geradelt bin, ob sie diese
    Sportpalastrede kennt.
    Nein, kannte sie nicht.
    Interessant gell, aber dann einen als Nazi zu beschimpfen, noch interessanter.
    Liebe Grüße Eva

    1. Da fällt mir ein Zitat von Ignazio Silone ein: Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: “Ich bin der Faschismus“. Nein, er wird sagen: „Ich bin der Antifaschismus“.

  4. PS:
    Der Krieg ist aus, wenn die Amerikanter Herrn Selenskyj sagen, dass er aus ist.
    Fertig!

    Das Zitat ist genial.
    Danke

    Liebe Grüße Eva, die trotz keiner Heizung sonst nicht friert, aber nachdem einiges heute wieder gelesen habe, friert es mich.
    ..und ich bin froh, dass ich so alt bin.

  5. Oh, ja Lotta der Krieg
    meine Eltern waren beides Kriegskinder und haben sehr viel erzählt von den Bombennächten in Köln, zum Schluß waren sie in Sachsen evakuiert meine Mutter mit ihren Geschwistern und Mutter in Halle und mein Vater in Falkenstein (Vogtl.). Mein Schwiegervater ist aus Ostpreußen und mit seiner Familie ins Sauerland geflogen. Meine Schwiegermutter ist in Schlesien geboren und auch aufgewachsen, ihr Vater ist im Krieg gefallen und sie durften dann kein Deutsch mehr sprechen nach dem Krieg, sie sind aber dann später nach Deutschland gegangen. Der Vater meines Schwagers ist auch spät aus der Kriegsgefangenschaft gekommen.
    Alle haben keine Hilfe bekommen und müssen oder mussten selbst damit fertig werden.
    Ist schon schlimm alles hier, was über Andersdenkende gesagt wird.

    Danke dir für den guten Post.

    Viele Grüße
    Hannelore

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