…meine Kindheit…
heißt das Thema heute bei Kebo.
Ich gebe zu, für mich ist das ein schwieriges Thema, es ist eigentlich zu persönlich. Über meine Kindheit könnte ich einen ganzen Roman füllen (und vielleicht werde ich irgendwann doch noch zur Feder greifen…für meine Kinder…damit sie die Zeit von damals besser verstehen).
Eine Kindheit im Sinne von Bullerbü hatte ich nicht.
Die ersten zwanzig Jahre gehören zu den intensivsten, bewegendsten und auch schmerzlichsten Jahren meines Lebens. Hineingeboren in eine typische ostdeutsche Familie, wurde ich bereits mit 6 Wochen einer Kinderfrau übergeben. Die Kinderfrau war Besitzerin eines Pudels, man sagt ihr nach, sie hätte meine Leidenschaft für Hunde geprägt…;-). Nach der Kinderfrau folgte die Betreuung in einer Kindertagesstätte. In der Kindergartenzeit mutierte ich zum „Straßenkind“, was bedeutete, dass mich meine Mutter vor allem am Wochenende früh vor der Tür schob und abends wieder irgendwo einsammelte. Gespielt habe ich vor allem mit der 5 Jahre älteren Nachbarstochter sowie mit einer Jungs-Gang, die mir das Fahrradfahren, „Mau mau“, Skat und das Kicken des Balles in das Fußballtor beibrachte. Ab der ersten Klasse war ich „Schlüsselkind“, ich ging allein von der Schule nach Hause und war zunächst bis zum Abend mehr oder weniger auf mich allein gestellt. Meine Nachmittage waren verplant mit Hausaufgaben, Musikschule und Tennistraining. Ich bekam eine Uhr geschenkt und musste mich selbst darum kümmern, beim Klavierunterricht und allen anderen Terminen pünktlich zu sein. Rückblickend betrachtet war ich damit eigentlich heillos überfordert. Andererseits hat mich diese Zeit vielleicht zu dem gemacht, was ich heute bin…ein selbständiger, recht geselliger, manchmal eigensinniger, mitunter unbequemer, kritischer und alle Dinge hinterfragender Mensch.
Viele Wochen meiner Kindheit habe ich bei meinen Großeltern in Freiberg verbracht, für mich eine sehr glückliche Zeit. Meine Großeltern waren durchaus streng, aber auch sehr fürsorglich. Besonders mein Opa hat sich viel Zeit für mich genommen, mir die Natur gezeigt und Baum- und Pilzarten näher gebracht, Ausflüge nach Dresden und Tharandter Wald organisiert und dafür gesorgt, dass ich mit 5 Jahren das Schwimmen lernte. Meine Liebe zu langen Spaziergängen habe ich ebenfalls von meinem Opa mitbekommen, innerhalb von Freiberg sind wir so gut wie immer zu Fuß unterwegs gewesen.
Als ich neun Jahre alt war, starb mein Vater an Krebs. Danach wurde mein Opa zur wichtigsten Bezugsperson für mich. Er ist mir lange treu geblieben, lernte noch seine ersten zwei Urenkel kennen und wurde deutlich über 90 Jahre alt.
Eine sehr prägende Zeit waren für mich auch die letzten vier Schuljahre, die ich auf der Thomasschule verbracht habe. Mir ist eigentlich erst hinterher so richtig klar geworden, was für eine intensive und erfüllende Zeit ich mit meiner damaligen Klasse erlebt habe. Noch heute gibt es Lehrer, die sich sehr lebhaft an uns Schüler erinnern können, denn wir waren ein wenig zu unangepasst, verrückt und experimentierfreudig für die damalige DDR-Zeit.
Mit meiner Kindheit endete auch die DDR Zeit.
„Wie war es damals in der DDR?“…fragen mich immer wieder meine Kinder. Um das alles wirklich zu beschreiben und zu begreifen, reichen nicht zwei, nicht 100, nicht 1000 Worte…Wie fühlt es sich an, wenn man diskriminiert wird wegen seiner Weltanschauung, wenn Meinungsfreiheit ein Fremdwort ist, einem vorgeschrieben wird, was man in den Medien konsumieren darf und was nicht, welche Literatur erlaubt ist und welche Musik…? Wie fühlt es sich an, wenn auf dem Papier zwar mehrere Parteien stehen, man aber nicht wirklich die Wahl hat, weil nur eine einzige Partei das Recht für sich beansprucht, über alles und jeden diktatorisch zu herrschen…? Wie fühlt es sich an, wenn man in einem Land eingesperrt ist, bestimmte Grenzregionen nur mit einem Passierschein betreten kann und nach einem Ungarn-Aufenthalt stundenlang von der Stasi verhört wird…? Wie fühlt es sich an, wenn der Stiefbruder aufgefordert wird, Berufssoldat zu werden, damit die Schwester studieren darf…?
Nein, es war nicht alles schlecht in der DDR. Aber man sollte sich auch heute noch mit der DDR-Vergangenheit kritisch auseinandersetzen. Diesen Proß vermisse ich manchmal…gerade in Hinblick auf die aktuelle politische Lage in Deutschland.
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