Heute freue ich mich auf eine ganz wunderbare Kaffeerunde mit Ghislana vom Blog „Jahreszeitenbriefe“
1.Liebe Ghislana, ich möchte mich zum Plaudern gern mit Dir in einem Café treffen, welches empfiehlst Du mir?
Wenn wir uns in Freiberg treffen würden, wüsste ich gleich einige…, aber hier bei mir in Prieros ist das schwieriger mit einem feinen Café. Alles Gute ist da leider nie beisammen. Aber im Bienenhaus im Nachbarort gibt’s den leckeren Kuchen aus unserer Leib-und-Magen-Bäckerei und ich fange jetzt schon an zu überlegen, welchen Kuchen ich mir denn diesmal gönne… Hier gibt’s z. B. die allerleckerste Marzipantorte, die ich kenne…
Oh ja, Marzipantorte…sehr gern…Und damit setzen wir uns dann in Deinen wilden Garten…;-)
- Ich würde Dir gern einen Reiseführer als Geschenk mitbringen, welchen sollte ich für Dich aussuchen?
Oh, das finde ich ja ausgesprochen lieb von dir…, hm…, wie wäre es mit Prag, da möchte ich so gerne wieder einmal hin? Wir waren 1989 mit vier Freunden dort und fuhren in einem vollen Zug hin und in einem fast leeren zurück. So waren damals die Zeiten… Ein oder zwei Jahre später zeigten wir dann unseren drei Kindern die schöne Stadt Prag…, und sahen nachts auf unserem Campingplatz in Stadtnähe Glühwürmchen zu Hunderten in der Hecke, unvergessliche Erlebnisse…
Oh ja…Prag…steht bei meinem Mann und mir auch ganz oben auf der Liste…eine feine Idee!
- Kaffee oder Tee?
Einen großen Milchkaffee bitte. …Wenn wir dann nicht doch nur den Kuchen einpacken lassen und lieber zu mir nach Hause fahren… Ich hab auch schöne Keramiktassen, versprochen.
Na dann nichts wie hin…zu den Keramiktassen…Ich freue mich schon.
- Was verbindest Du mit dem Begriff „Heimat“?
Manchmal ist Heimat für mich etwas ziemlich Rätselhaftes. Es lässt sich vielleicht am besten mit „Sich-Zuhause-Fühlen“ umschreiben. Unsere Familie ist ziemlich viel umgezogen, an jedem dieser Orte ist ein Stückchen Heimat entstanden, oder geblieben, gibt es Erinnerungen… Und langsam komme ich in das Alter, in dem ich da wieder hinreise, noch einmal Verbindung aufnehme, mich erinnere, vielleicht auch loslasse… Zum Beispiel lerne ich Köln, die Geburtsstadt meiner Eltern, nun erst langsam ein bisschen näher kennen… Neulich stand ich mit zweien meiner Geschwister am Taufbecken in der Kirche St. Aposteln, wo mein Vater 1926 getauft wurde… Das Taufbecken blieb bei der Zerstörung der Kirche im Krieg erhalten. Das sind „heimatliche“ Augenblicke, in denen ich Gänsehaut bekomme… Gärten, die Gärten meiner Kindheit, die Freiheit des Draußen-Spielens, die wir hatten… Das Nachhausekommen nach einer längeren Abwesenheit, über die Flussbrücke fahren, den Kiefernwaldduft einatmen, an den See gehen… Das ist nun das Stückchen Heimat, das mir am nächsten ist, das ich seit über 50 Jahren kenne… Aber ich habe keine Mühe mir vorzustellen, dass ich auch woanders eine Weile zu Hause sein kann. Z.B. als ich ein paar Wochen bei meinem Bruder in Buenos Aires war…, auf der Terrasse mit dem Fenster aus verschiedenfarbigen klaren Gläsern… Ich komme schnell an irgendwo, es muss nur ein paar Bäume geben und ein kleines Zimmer mit Blick nach draußen. Vielleicht ist im Laufe der Zeit die Natur meine eigentliche Heimat geworden… Obwohl ich viele Menschen kenne, die ich herzlich gern habe, denen ich gut bin, die mir gut sind, es kann mir leicht zuviel werden… Ich ziehe mich gern zurück. Und da draußen kann man herrlich allein sein, und doch umgeben von Heimat… (Klick).
- Du bist sehr eng mit dem Naturschutz verbunden, wer oder was hat dieses Interesse in Dir geweckt?
Zuallererst meine Eltern, meine Güte, was die alles kannten – als gebürtige Großstädter: so viele Vögel z. B. Und was haben wir für tolle Bootstouren gemacht…, Pirschtouren…, die Liebe meiner Mutter zu Steingärten. Dann meine Biolehrerin, die uns – allein – rausschickte zum Botanisieren, meine Kinder, die mich beim Wandern nach den Namen aller Blumen am Rennsteig fragten, als ich ihnen die einzige wilde Blume, die ich damals sicher wusste, „Margerite“, verraten hatte…, mein kleiner Bruder, der Forstarbeiter wurde, die Waldameisen schützte, dann Bio studierte und mir das Buch „Wildpflanzen für jeden Garten“ schenkte – eine Initialzündung… (Klick). Mit der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund pflanzte ich in den 80ern Bäume auf unseren kahlen Parkplatz im Ort, folgerichtig landete ich nach der Wende beim NABU. Da hatte ich dann schon Familie, sonst wäre ich vielleicht auch zu Greenpeace gegangen und in die gefährdeten Regenwälder …
Es ist schon erstaunlich, wie sehr doch die Kindheit prägt…sollten sich Eltern immer wieder vor Augen führen…;-). Also runter vom Sofa…und ab in die Natur…;-)))
- Das politische Pflaster ist manchmal recht glatt. Du hast so einige Jahre die kommunale Politik mitbestimmt. Was würdest Du jungen Menschen auf den Weg geben, wenn sie sich gern politisch engagieren möchten?
Ich selbst bin über das Engagement für regionale Kultur, Bildungs-Infrastruktur und Umweltschutz in die Politik geraten, mit Mitte 20 ungefähr. Einen Schlussstrich habe ich 2000, im Alter von 46 Jahren, gezogen. Ich war ausgebrannt und abgestumpft und habe es zum Glück gemerkt. Das heißt nicht, dass ich mich nicht mehr politisch äußere. Aber dazu bedarf es nicht der parlamentarischen Bühne. Jeder Mensch ist ein politischer Mensch, wenn er sich nicht nur für das eigene, sondern für das Wohl seiner Mitmenschen, der Menschen seiner Gemeinde, seines Landes, anderer Länder interessiert und der das ihm Mögliche dazu einbringt. Das kann in jungen Jahren z. B. der Jugendklub sein, der im Ort fehlt. Ich erinnere mich noch gut, dass da eines Abends zwei Jungs bei mir im Bürgermeisterbüro standen und einen Jugendklub wollten. Könnt ihr haben, wenn ihr euch selber kümmert. Ein ausgedienter Hortraum war da, ein bisschen Geld zum Renovieren und Einrichten konnten wir auftreiben. Niemand hätte sich für einen Jugendklub interessiert, wenn es die jungen Leute nicht selbst gewollt, selbst mitgetragen hätten. Den Club gibt’s heute noch, und ein paar der „Alten“ schauen manchmal auch noch rein. Jungen Leuten kann ich nur empfehlen, sich umzuschauen, wo Engagement ganz in ihrer Nähe oder auch ganz in der Ferne gebraucht wird, oder nachzudenken, wie sie sich ihre Schule, ihr Kiez z. B. vorstellen, wofür sie mit dem Herzen brennen und was sich damit fürs Gemeinwohl (!) anfangen ließe. Da gibt es heute auch im Ausland mit den Internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten (Klick) so tolle Möglichkeiten sich einzubringen in der Umwelt- und Entwicklungsarbeit. Die schlechteste Voraussetzung wäre meiner Erfahrung nach die: „Ich will Politiker werden.“ Erst sollte die Frage kommen: Was will ich eigentlich bewirken? Wofür mich einsetzen? Politiker wird man dann durch Engagement für etwas Sinnvolles, durch die Suche nach Verbündeten, oft von ganz allein. Ach ja, gut ist, jemanden oder viele zu haben, denen man vertraut, mit denen man reden kann, die Lebenserfahrung haben, nicht nur Reden schwingen, sondern auch handeln, und die nicht vordergründig nur Politiker geworden, sondern auch Menschen geblieben sind. Ja, und ein Grundinteresse für – auch internationale – Geschichte sollte man aufbringen… Ich selber hole da immer noch nach…, es hilft Gegenwart verstehen und zukunftsfähig handeln zu können.
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- Mit welcher berühmten Persönlichkeit würdest Du gern essen gehen?
Also essen gehe ich ja am liebsten mit Bekannten, Vertrauten, Freunden, dem Gefährten… Mit berühmten Persönlichkeiten wäre mir ja ein Briefwechsel lieber, oder noch lieber: zusammen wandern gehen. Also ich nehme da jetzt mal ziemlich spontan Konstantin Wecker. Ihn bewundere ich schon lange Jahre, und nicht nur seine Musik. Ich nähme ihn gern mal mit auf einen ausgedehnten Waldspaziergang mit, vielleicht könnten wir uns gegenseitig ermutigen.
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- Welches Bildungserlebnis war für Dich besonders prägend?
Oh, da kann ich jetzt eine Weile erzählen und schwärmen, am Ende müssen wir weiteren Kaffee bestellen… Ich bezeichne mich als so etwas wie eine Bildungshungrige… Ich habe zweimal studiert und eine Reihe von Zusatzausbildungen gemacht, nicht weil ich musste, sondern weil ich wollte… Ich lerne so gern dazu, und das hört auch einfach nicht auf… Daraus ist ein Patchwork geworden, das aber zu mir und dem, was ich anderen Menschen weitergeben kann, gut passt. Ein ganz besonderes Bildungserlebnis war für mich die Naturpädagogikausbildung, weil sie tatsächlich ganz überwiegend draußen stattfand, bis hin zum Übernachten im Freien. Da habe ich die Verbundenheit mit den Lebewesen um uns her, unser Aufgehobensein in einem großen Ganzen sehr deutlich empfinden können (Klick). Etwas, das mir auch im Alltag sehr hilft, rausgehen und einfach da sein unter unseren vielen „Verwandten“, die auch einfach da sind…, da klärt und relativiert sich so viel an Kleinkram und Ärgernis…
Überhaupt liebe ich es, wenn beim Lernen nicht nur der Verstand, sondern viele Sinne angesprochen werden. Die sind nämlich auch Lernkanäle… Und offenbar bei mir sehr ausgeprägt. Aber ich kann durchaus auch begeistert einem brillanten Vortrag lauschen oder ein gutes Sachbuch als Bildungserlebnis begreifen. Kürzlich war ich wieder zu zwei Kreativseminaren, wenn nicht nur mein Intellekt, sondern auch meine Finger zu tun bekommen (Klick), kann ich darin völlig aufgehen, tagelang…(Klick)
„Oh, da kann ich jetzt eine Weile erzählen und schwärmen, am Ende müssen wir weiteren Kaffee bestellen…“…Aber gern doch, liebe Ghislana…Wir haben da ja schon Übung drin…Und zur Not bestellen wir uns auch noch ein Stück Kuchen…;-)
- Was bedeutet für Dich Musik?
In unserer Familie spielte und spielt das Musizieren eine große Rolle, auch wenn wir es als Kinder (und meine Kinder) möglicherweise manchmal auch als nervend empfunden haben, was leider auch Spuren hinterlässt… Aber wenn eine Tochter mich jetzt nach alten Chornoten fragt und die andere begeistert und begeisternd die bei kleinen Kindern natürlicherweise ja immer vorhandene ursprüngliche Freude an Musik, Bewegung und Sprache erhält und entfalten hilft, dann ist es doch gut gegangen… Ich singe immer noch gern, nur meistens allein, auch im Wald. Irgendwann finde ich auch wieder einen Chor. Natürlich höre ich auch Musik, darunter viel Klassik, auch zeitgenössische Musik, mit Vorliebe im Konzertsaal auf einem Platz, von dem aus ich ins Orchester schauen kann… Ich liebe es zu sehen, wie jemand Musik „macht“, im wahrsten Sinne des Wortes, wie sie aus ihm heraustönt, wie jede Faser seines Körpers und seine Seele dabei sind… Und jedes Mal ist so ein Werk ganz anders, auch dieselbe Komposition… Was ich ganz schlecht aushalte, ist das „Allerlei-Gedudel“ von früh bis spät und überall. Das kann mir sogar einen Café-Besuch verleiden… So etwas gibt’s bei mir gar nicht und in „Einkaufswelten“ gehe ich schon deshalb nach kurzer Zeit gnadenlos unter und meide sie einfach. Geht gut. Zu Hause habe ich überwiegend Stille und ich genieße das (Klick).
- Ich hätte jetzt große Lust, Dich in Dein kreatives Reich zu begleiten. Was würdest Du gern mit mir dort Kreatives erschaffen?
Wonach wäre dir denn? Und wie lange hast du Zeit? Vielleicht machen wir eine Collage zu einem Thema, das dich reizt (Klick)? Oder wollen wir noch mal dem Milchtütendruck zu Leibe rücken…? Ein paar Batikpapiere machen (Klick)? Eine Minischachtel gestalten (Klick)? Zu meinem kreativen Reich, wie du so schön sagst… – ja, das ist es… – gehören ja neben dem großen Werktisch auch noch die Bücherregale voller Inspirationen, der Garten und der Wald vor der Haustür – vielleicht legen wir zusammen ein feines Mandala (Klick) oder bauen einen zauberhaften Zwergengarten? Komm einfach her und schau erst mal… Wohin es dich dann auch immer zieht, ich begleite dich gern dabei und wir schauen einfach, was da wird. Es wird immer etwas…
Ein Vorschlag klingt spannender als der andere…Ich schlage vor, ich komme jetzt öfter vorbei…dann können wir alle Deine Ideen so nach und nach umsetzen…;-).
Liebe Ghislana, ganz lieben Dank für diesen wunderbaren Plausch. Wenn es mal wieder passt, dann setzen wir ihn gern im Café Grundmann oder bei mir zu Hause fort…
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