Gartenstadt

Auf den Spuren des Architekten Riemerschmid

Die Gartenstadt Hellerau

Es gibt Orte, die brennen sich tief ins Gedächtnis…die lassen einen so schnell nicht wieder los. Die Gartenstadt Hellerau in Dresden ist so ein Ort für mich. Was für eine wunderbare Vision steckt dahinter…

Diese Vision hatten 1909 der Möbelfabrikant  Karl Schmidt und der von ihm beauftragte Architekt Richard Riemerschmid. Fußend auf den Ideen des in  London lebenden Erfinders der Gartenstadt, Ebenezer Howard, planten beide einen Stadtteil, der eine Einheit von Wohnen und Arbeit, Kultur und Bildung herstellen sollte. Der Neubau von „Werkstätten Dresdner Handwerkskunst“ sollte ergänzt werden durch eine Wohnsiedlung mit Kleinstwohnhäusern für die Arbeiter, geräumige Landhäusern, einen Markt, Geschäfte, ein Wasch- und Badehaus, Praxen, ein Ledigenwohnheim, eine Schule und ein Schülerwohnheim. Das Erstaunliche daran, während der Bauphase war Hellerau, wie sonst nur die Essener Gartenstadt Margarethenhöhe, durch einen Regierungserlass von allen Bauvorschriften befreit. Neben Riemerschmid waren an der Gestaltung der Gartenstadt weitere renommierte Architekten wie Heinrich Tessenow, Hermann Muthesius, Kurt Frick und Theodor Fischer beteiligt.

Berühmt wurden die „Werkstätten Dresdner Handwerkskunst“ vor allem durch die erste industrielle Möbelfertigung Deutschlands. Diese brachte zweckmäßige und formschöne Möbel hervor, die unter anderem den Grand Prix der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 sowie Auszeichnungen der Weltausstellungen von 1904 in St.Louis und 1937 in Paris erhielten. Beim Bau der Fabrikanlage wurde großes Augenmerk auf Luftreinheit, Raumklima und Lichtverhältnisse hinsichtlich der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter gelegt.

Die Deutschen Werkstätten Hellerau wurden 1992 reprivatisiert. Heute arbeiten etwa 200 Menschen für das Unternehmen in Hellerau. Gefertigt werden keine Möbelserien mehr, sondern hochwertige Einzelstücke.

Hellerau
Türklinke
Ein schmiedeeisernes Gartentor mit einer wunderbaren Türklinke…entworfen von Richard Riemerschmid, gefertigt in den „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“. Schon ergonomisch eine Wohltat…

Zahlreiche Vertreter der europäischen Kulturelite, wie Emil Nolde, George Bernard Shaw, Franz Kafka, Oskar Kokoschka, Henry van de Velde, Djagilew und Stefan Zweig sowie der US-amerikanische sozialkritische Schriftsteller Upton Sinclair, wurden durch die kulturellen Gedanken der Gartenstadt angelockt. Émile Jaques-Dalcroze, ein Komponist und Musikpädagoge aus der Schweiz, der mit Aufführungen seiner selbst entwickelten „Rhythmischen Gymnastik“ in Deutschland Menschen zu begeistern suchte, kam auf Einladung von Schmidt und dessen „rechter Hand“ Wolf Dohrn nach Hellerau. Im  Auftrag von Émile Jaques-Dalcroze wurde ein Festspielhaus erbaut und dessen „Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus“ in diesem Gebäude untergebracht.  Mit Gret Palucca und Mary Wigman wurde Hellerau ein Zentrum für den modernen Ausdruckstanz.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endete leider die Sturm-und-Drang-Zeit Helleraus. 1939 wurde die Bildungsanstalt für Rhythmische Gymnastik von den Nationalsozialisten in einen Kasernenhof umgebaut, und nach 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht weiter militärisch genutzt, bis sie 1992, zunächst an das Bundesvermögensamt zurückgegeben wurde (Quelle Wikipedia).

Gartenstadt
Das Gebäudeensemble „Deutsche Werkstätten Hellerau“ ist heute eine Veranstaltungs- und Begegnungsstätte mit Bezug zur hiesigen, aber auch internationalen Kunst- und Kulturszene.
Hellerau
Links oben: Ehemaliges Maschinen- und Kesselhaus. Links unten: Neu sanierte Waldschänke, die man für Veranstaltungen mieten kann
Dresden
Hellerau
Gartenstadt Hellerau
Häuser „Am grünen Zipfel“, entworfen von Richard Riemerschmid und gebaut 1909

Hellerau war – geplant ab 1906, gebaut ab 1909 – die erste, zugleich vollständigste und radikalste Verwirklichung einer Gartenstadt in Deutschland. Der Name Hellerau leitet sich ab von dem südlich angrenzenden Landschaftsgebiet Heller. Vorbild für die städtische Gestaltung waren fortschrittliche englische Arbeiterwohnsiedlungen des späten 19. Jahrhunderts (ein Gegenentwurf zu den damals weit verbreiteten Mietskasernen), man bediente sich der Prinzipien des romantisierenden Städtebaus und des naturnahen Wohnens. Um Immobilienspekulationen vorzubeugen, wurde der Grundbesitz vertraglich als unveräußerlich und wertekonstant festgeschrieben.

Hellerau
Hellerau
Links oben: In dieser Villa lebte der Musikpädagoge Emile Jaques-Dacroze bis 1914. Entworfen wurde die Villa von Architekt Richard Riemerschmid.

In Hellerau findet man sieben verschiedene Wohnungstypen mit einer Nutzfläche von 46 bis 85 Quadratmeter, der Mietpreis lag zur Gründung der Gartenstadt bei 250 bis 380 Mark. Der durchschnittliche Mietpreis für den Quadratmeter Nutzfläche betrug in den Reihenhäusern 4,80 Mark, in den freistehenden Einfamilienhäusern 5,97 Mark, während er z. B. in den Etagenhäusern des Allgemeinen Mietbewohnervereins zu Dresden 5,88 Mark betrug.

Gartenstadt
Dresden Hellerau
Hellerau

Ich habe noch mehr Bilder von Hellerau mitgebracht. Wenn Ihr mögt, dann begleitet mich doch morgen eine weiteres Stück durch diese wunderschöne Gartenstadt.

Dresden
Am grünen Zipfel
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KOMMENTARE:

Schafe

14 Antworten zu „Auf den Spuren des Architekten Riemerschmid“

  1. Guten Morgen, liebe Lotta,
    das ist eine wunderschöne Stadt, Hellerau. So schöne Häuser, so viele Blumen überall…danke, daß Du uns mitgenommen hast, und danke für die herrlichen Bilder und interessanten Informationen!
    Ich bin gerne auch morgen wieder dabei, wenn es noch mehr zu sehen gibt :O)
    Ich wünsche Dir einen schönen und freundlichen Tag!
    ♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥

  2. was für schöne doppel-häuser 54-52 * jeder sein eigener eingang und dieselbe treppe und alles mit blumen beschmückt * schöne bilder liebe Lotta zeigst du uns wieder *
    liebe donnerstag*grüsse * hoffentlich donnert es nicht mehr heute…

  3. War schon sehr gespannt auf deine Bilder.
    Meine Großeltern wohnten dort in der Nähe und ich bin als Kind viel da gelaufen. Meine Eltern hatten eine Hellerauer Schrankwand Eiche massiv im Wohnzimmer 🙂
    Eine wunderschöne Gartenstadt, eine großartige Grundidee dahinter! Bräuchte man mehr von. Ähnliche Beispiele gibt es noch mehr in Dresdner Stadtteilen….. So sieht für mich der perfekte Wohnungsbau aus.
    Liebe Grüße

  4. Was für eine wunderbare Siedlung, Lotta!! Sie erinnert mich an einen Stadtteil ganz in der Nähe “ Moers Meerbeck“. Auch da gibt es diesen ganz besonderen Flair ;)) Dankeschön für’s Mitnehmen und einen lieben Gruß, Nicole

  5. Welch tolle, menschenwürdige Konzepte des Wohnens von Kapitalgebern & Architekten zum Allgemeinwohl doch immer wieder in Deutschland im letzten Jahrhundert entwickelt und ausgeführt wurden! Und offensichtlich von solcher Qualität, dass man auch gerne bis heute darin wohnt. Ein besonderes Biotop, über das der Dresdener Durs Grünbein, der in der Hellerau aufgewachsen ist, in seinem Buch „Die Jahre im Zoo“ vielschichtig zu berichten weiß!

    Du bringst mich auf die Idee, auch einmal über Siedlungen mit ganz ähnlichen Wurzeln in meiner Nachbarschaft zu berichten.
    Schaun mer mal…
    LG
    Astrid

  6. …schon der Name Gartenstadt ist so erfreulich, liebe Lotta,
    und deine Bilder und Ausführungen zeigen, dies ist zu recht so…wer würde da nicht gerne wohnen? mir würde es gefallen,

    liebe Grüße
    Birgitt

  7. Auch in Berlin gibt es kleine Bezirke mit eben solch guten Gedanken. Den Mittelstand ordentlich wohnen zu lassen. Mit kleinen Häusern und entsprechenden Gärten und einer Möglichkeit sich zu treffen und einzukaufen. Wie auch bei dir in Hellerau sind diese Ensemble Anfang 1900 gebaut. Bis heute sind das Häuser und Anlagen die gerne bewohnt werden.
    Deine Bilder sind super. Danke, für die kleine Führung und die Erklärungen,
    Andrea

  8. wow
    das sind sehr schöne Bilder und eine interssante Geschichte die dahinter steckt..
    ja.. auch früher gab es solche herausragenden Menschen mit „Visionen“
    und wie vielfältig es auch auf kultureller Ebene war
    (leider wird heute zunehmend wieder auf dumpf national umgeschaltet 🙁 )

    auch die Idee wohnortnah zu arbeiten und einzukaufen war schon etwas besonderes .. nachhaltig.. würde man heute sagen 😉

    ich freu mich auf weiterer Bilder..
    liebe Grüße
    Rosi

  9. Liebe Lotta,
    diese Stadt kannte ich bisher noch nicht. Schaut sehr idyllisch und friedlich aus, ein wenig verträumt. Danke für diese tollen Eindrücke von Hellerau!
    Ganz liebe Grüße,
    Christine

  10. Wir haben Freunde, die in den Hellerauer Werkstätten das Schreinerhandwerk gelernt haben. Ja, beinahe wären wir dorthin gezogen. Das Haus und der Garten war vor allem ganz bezaubernd….nur der Platz….das wäre leider zu eng geworden. Aber es hat mir gefallen und mich so sehr an unser Leipziger Haus erinnert. Grüne Fensterläden….das muss schon sein….:-)
    LG Sigrun

  11. Wie aus dem Bilderbuch … schöne Impressionen.

    Liebe Grüße – Monika

  12. Wow, tolle Häuser und eine interessante Geschichte!

  13. Ja, das ist einer der Stadtteile Dresdens die eine Extratour lohnen und du hast die besondere Atmosphäre wunderbar eingefangen. Ich finde es immer sehr spannend, wie unterschiedlich die vom Süddeutschen Riemerschmid und vom Norddeutschen Tessenow entworfenen Bereiche wirken.
    Ich habe in Hellerau mal eine wunderbare Stadtführung mit Igeltours erlebt, die, obwohl ich nicht zum ersten Mal in dort war, sehr kurzweilig und informativ war. Von uns aus kann man wunderbar durch Heide und Heller dorthin spazieren oder -radeln.

  14. sehr, sehr toll! so stelle ich mir städtisches wohnen vor! da würde ich sogar mein margeritenparadies für verlassen!!
    liebe grüße, mano

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